Lahmheit

Eine Lahmheit ist definiert als eine Störung im regelmäßigen Gebrauch der Gliedmaßen, die durch Schmerzen, neurologische Probleme oder auch durch eine mechanische Behinderung verursacht werden kann. Es handelt sich lediglich um ein Symptom, nicht um eine definierte Erkrankung.

Man unterscheidet zwischen einer Hangbeinlahmheit (Schrittlänge verkürzt) und einer Stützbeinlahmheit (Auffußen verkürzt). Zusätzlich muss eine akute, plötzlich auftretende Lahmheit von einem schleichend-chronischen Verlauf abgegrenzt werden.

In welche Schweregrade kann eine Lahmheit eingeteilt werden?

Tierärzte teilen die Lahmheit in unterschiedliche Schweregrade ein. Hierfür gibt es verschiedene Scores, wobei der Folgende am gebräuchlichsten ist.

1/5 geringgradig undeutlich→ Lahmheit ist nur im Trab und nicht bei jedem Tritt sichtbar

2/5 geringgradig deutlich → Lahmheit ist nur im Trab und bei jedem Tritt sichtbar

3/5 mittelgradig → bereits im Schritt ist die Lahmehit sichtbar

4/5 hochgradig → die betroffene Gliedmaße wird im Schritt nur noch sehr kurz belastet

5/5 höchstgradig → die betroffene Gliedmaße wird nicht mehr belastet

Welche Ursachen kann eine Lahmheit haben?

Eine Lahmheit kann sehr viele verschiedene Ursachen haben. Die wohl häufigste sind Schmerzen im Bereich der Gliedmaßen oder des Rückens. Hierzu zählen beispielsweise die Gelenkarthrose oder die Hufrollenentzündung, aber auch Knochenfissuren- und frakturen. Häufige Lahmheitsursachen sind auch Nageltritte, Hufabszesse oder Hufrehe. Die Liste schmerzhafter Lahmheitsursachen lässt sich beinahe unendlich fortführen.

Außerdem kann eine Lahmheit durch eine mechanische bzw. motorische Einschränkung verursacht sein, wie es beispielsweise bei einer Patellafixation (Fixierung der Kniescheibe) der Fall ist.

Außerdem sind neurologisch verursachte Gangbildanomalien – sogenannte Ataxien – ebenfalls als Lahmheit einzuordnen. Bei manchen Phänomenen ist die Ursache der Lahmheit aber auch bis heute ungeklärt, z.B. beim sogenannten „Hahnentritt“ - einem Bewegungsübermaß (idiopathische Hyperemtrie).

Wie wird eine Lahmheit diagnostiziert?

Die Diagnose einer Lahmheit stellen viele Pferdebesitzer bereits selbst, wenn ihnen korrekterweise auffällt, dass das Pferd „hinkt“ oder auch nur sonderbar läuft. Bei der tierärztlichen Untersuchung wird die Diagnose durch eine Adspektion in Bewegung, bei dem sogenannten „Vorführen“ in Schritt und Trab auf hartem und weichem Boden, sowie auf der Geraden und in der Wendung gestellt.

Mittlerweile gibt es auch computergestützte Systeme wie den „Lameness Locator“ oder den „Hoof-Scan“, die keiner subjektiven Beurteilung des Tierarztes bedürfen, sondern durch Drucksensoren genau die Belastung der Bereiche der Hufe im Seitenvergleich sowie die Bewegung von Kopf und Kruppe im Gangbild aufzeichnen und analysieren.

Um die Ursache einer Lahmheit abzuklären bedarf es weiterer diagnostischer Verfahren wie eine Leitungsanästhesie (betäuben von Nerven) oder bildgebende Verfahren (Ultraschall, Röntgen, Szintigraphie, CT, MRT, Arthroskopie etc.).

Welche Symptome hat ein Pferd bei einer Lahmheit?

Die Lahmheit ist lediglich ein Symptom, das Ausdruck verschiedenster Krankheiten sein kann. Lahmheiten sind meist schon für Reiter oder Besitzer erkennbar, die bemerken, dass ein Pferd steif läuft, die Schrittlänge verkürzt oder mit einer oder mehreren Gliedmaßen kürzer belastet als üblich. Oft werden lahme Gliedmaßen auch weniger hoch angehoben, um das Bein nach vorne zu führen.

Ein subtilerer Hinweis auf eine Lahmheit kann eine plötzliche scheinbare Unkooperativität des Pferdes sein: Es will die Hufe nicht mehr richtig zum Auskratzen anheben oder nicht mehr richtig laufen, beginnt sich zu wehren o.ä. Eindeutige Indikatoren für das Vorliegen einer Lahmheit sind eine Nickbewegung des Kopfes beim Laufen oder ein Einknicken im Hüftgelenk.

Wann und wie häufig muss der Tierarzt kommen?

Nicht jede Lahmheit bedeutet sofort, dass eine tierärztliche Untersuchung und Behandlung notwendig ist. Manche Lahmheiten verschwinden von alleine wieder, sodass bei einer geringgradigen Lahmheit auch zunächst einmal einige Tage abgewartet werden kann. Das Pferd sollte in dieser Zeit nicht vermehrt belastet werden, um eine Verschlechterung der Symptomatik zu vermeiden. Bei länger andauernden und plötzlich auftretenden stärkeren Lahmheiten ist in jedem Fall ein Tierarzt hinzuzuziehen, da bei vielen Erkrankungen eine baldige Therapie die Heilungschancen erheblich verbessert. Wie oft der Tierarzt kommen muss, lässt sich nicht pauschal sagen und ist vollkommen abhängig davon, was als Ursache einer Lahmheit diagnostiziert wird. Alleine das kann in komplizierten Fällen aber mehrere Tierarztbesuche oder sogar einen Aufenthalt in der Klinik erforderlich machen, ebenso wie eine adäquate Behandlung im Anschluss.

Wie wird eine Lahmheit behandelt?

Auch die Therapieoptionen sind völlig abhängig davon, was die Ursache der Lahmheit ist. Ein lahmes Pferd darf jedoch nicht belastet werden, sodass in jedem Fall eine reiterliche oder anderweitige Nutzung bis zum Verschwinden der Symptomatik eingestellt werden muss.

Manche Lahmheiten lassen sich konservativ, d.h. ohne Operation therapieren. Andere hingegen machen einen chirurgischen Eingriff erforderlich. Oft ist auch ein Spezialbeschlag hilfreich, um betroffene Bereiche zu entlasten. Vorsicht ist jedoch bei Schmerzmedikamenten geboten, da sie lediglich den Schmerz und somit die Symptomatik verschleiern, die ursächliche Erkrankung jedoch nicht therapieren. Im schlimmsten Fall belastet ein Pferd die erkrankte Gliedmaße unter Schmerzmittel so stark, dass die Erkrankung verschlimmert wird. Da Schmerzmittel meist mit einer entzündungshemmenden Komponente vermunden sind, werden sie trotzdem in großer Regelmäßigkeit unter Boxenruhe eingesetzt und sind bei vielen Lahmheiten die erste und lange begleitende Therapieoption, um dem Pferd die Schmerzen zu nehmen und die Heilungsphase so angenehm wie möglich zu gestalten.

Hilft Homöopathie bei einer Lahmheit?

Homöopathische Arzneimittel haben keinen nachgewiesenen Effekt auf den menschlichen oder tierischen Körper. Dennoch scheinen einige Präparate entzündungshemmend zu wirken, wie beispielsweise Teufelskralle oder Ingwer. Die richtige Auswahl eines homöopathischen Medikaments sowie die Dosierung sollten mit einem Tierarzt oder Tierheilpraktiker abgestimmt werden. Ein Homöopathikum stellt in aller Regel keine alleinige ursächliche Therapie dar und sollte allenfalls als Unterstützung zu einer konservativen medikamentellen Behandlung erfolgen.

Wie lange dauert eine Lahmheit an?

Dauer und Verlauf einer Lahmheit sind von Fall zu Fall unterschiedlich. Manche Lahmheiten beginnen plötzlich, andere hingegen schleichen sich langsam ein. Gegebenenfalls verschwindet eine Lahmheit auch episodenweise und kehrt dann wieder zurück, in diesem Fall spricht man von einer rezidivierenden Lahmheit.

Viele Ursachen einer Lahmheit erlauben eine kurative Therapie, das bedeutet sie haben eine Chance auf eine vollständige Heilung. Doch auch hier gibt es nicht selten Fälle, die eine äußerst lange Heilungsphase haben (z.B. bei Sehnenerkrankungen) und ein erhöhtes Rezidivrisiko haben, d.h. dass die gleiche Erkrankung erneut auftreten kann. Andere hingegen, beispielsweise degenerative Erkrankungen wie Arthrose, bleiben ein Leben lang bestehen und werden progressiv stärker. Im schlimmsten Fall kann eine anhaltende starke Lahmheit ein Einschläfern des Pferdes erforderlich machen.

Wann muss ein Pferd eingeschläfert werden?

Leider gibt es Lahmheiten, bei denen die Euthanasie, das heißt das Einschläfern des Pferdes, eine Option ist, die ernsthaft in Betracht gezogen werden muss. Im Sinne des Tierschutzes ist ein behandelnder Veterinär an ethische und rechtliche Grundlagen gebunden, bevor er ein Pferd einschläfert.

Eine Euthanasie ist aus verschiedenen Gründen angezeigt: Zum einen, wenn keinerlei Chance auf Heilung besteht. Zum anderen darf ein Pferd eingeschläfert werden, wenn unverhältnismäßig hohe Kosten auf den Besitzer zukämen, um einen schmerzfreien Zustand zu erreichen, die dieser nicht aufbringen kann oder will. 

Außerdem sollte das Leben des Pferdes schmerzfrei beendet werden, wenn eine chronische Erkrankung sehr schmerzhaft ist und/ oder eine artgerechte Haltung unmöglich macht. Eine artgerechte Haltung beim Pferd beinhaltet im Wesentlichen ausreichende Bewegung, kann ein Pferd also nicht mehr schmerzfrei laufen, muss leider eine Euthanasie in Betracht gezogen werden.

Was kostet eine Behandlung bei einer Lahmheit?

Die Kosten für die Behandlung sind sehr unterschiedlich und abhängig von Ursache der Lahmheit und der gewählten Therapieoption. Grundsätzlich sind konservative Behandlungen nicht immer kostengünstiger als chirurgische, auch hier gibt es sehr kostspielige Möglichkeiten. So kostet die Stammzelltherapie bei Sehnenerkrankungen mehrere hundert Euro. Auch andere eingesetzte Medikamente sind recht teuer. Die Lahmheitsdiagnistik kostet den Tierarzt viel Zeit und Arbeit und den Besitzer entsprechend viel Geld. Ist eine Unterbringung in der Klinik erforderlich, sind hier zusätzliche Kosten für die Einstallung zu entrichten. Nach oben sind den Kosten kaum Grenzen gesetzt. So kann eine chirurgische Versorgung einer Röhrbeinfraktur mit mehreren Monaten Klinikaufenthalt ca. 20.000€ kosten. Dies ist zum Glück eher die Ausnahme, doch ist bei manchen Pferden ist die Alternative zur teuren Therapie  nur die Euthanasie. Dieser Zwickmühle kann man unter Umständen durch eine entsprechende Versicherung jedoch entgehen.

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Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 02.08.2019 - Letzte Änderung: 10.11.2021